Geschichte Kurtheater

HISTORISCH

In den über 70 Jahren durchlebte das „KurTheater“ viele spannende Lebensabschnitte mit Höhen und Tiefen. Der Schauspieler Hans Albers und der Regisseur Luchino Visconti sind beispielsweise in seine Geschichte eingegangen. Der Ufa-Star Albers wohnte im Nachbarort Garatshausen und besuchte gelegentlich alleine oder mit Gästen das Kino. Zigarre rauchend und ein gutes Tröpfchen trinkend saß der „Blonde Hans“ in der Loge und genoss die Privatvorstellung. Für den Regisseur Visconti und seiner Filmcrew diente 1971 der Vorführraum zur Sichtung der Filmszenen zu den Dreharbeiten von Ludwig II. mit Helmut Berger und Romy Schneider im Schloss Possenhofen und auf der Roseninsel.

UND JEDEM ANFANG WOHNT EIN ZAUBER INNE

Alles begann am 28. August 1953, als das „KurTheater“ an dem Tag an der Kirchenstraße in Tutzing eröffnet wurde. Viele Nachkriegskinostars eroberten damals die Leinwände. Die „Heile Welt“ des Films war für die Gesellschaft ein wichtiger Ausgleich zum Alltag geworden. Es ging aufwärts in Deutschland, die Normalität sollte wiedereinsetzen – nach dem Krieg, nach der Zeit der wirtschaftlichen und politischen Ungewissheit.

ARCHITEKTUR- UND BAUGESCHICHTE

Ein neues Jahrzehnt begann: das Wirtschaftswunder in der Bundesrepublik Deutschland. Zu dieser Zeit ließ sich der Bauherr, der Dipl. Volkswirt Franz Kirmayr aus Holzkirchen, diesen originellen und typischen Fünfzigerjahre-Bau mit dem Doppeltorbogen von dem Architekten Hans Schmohl aus Tutzing entwerfen. Die Maurer der Tutzinger Baufirma Knittl mussten mit ungeahnten Komplikationen zurechtzukommen, denn der Untergrund, auf dem das Fundament gegossen wurde, war ursprünglich eine Müllhalde. Das Fresko auf der Giebelseite zeichnete der Kunstmaler Karl Gries aus Unterzeismering. Der gewaltige Zuschauersaal hatte eine unglaubliche Raumhöhe von sechs Metern und war mit über 400 Holzklappstühlen und eigenen Logenplätzen der Firma Schröder & Heinzelmann sowie Stofftapeten und goldenen Seitenleuchten an den Saalwänden ausgestattet.
Ein kompletter Um- und Anbau erfolgte im Jahr 1983 nach dem Konzept „Kino und Restauration“. Die Harthausers eröffneten zum „KurTheater“ die Gaststätte „Film Taverne“. Der Kinosaal wurde verkleinert und im Stil der Siebzigerjahre umgestaltet. Seitdem befindet sich der Eingang des Kinos auf der Nordseite.

DER LAUF DER DINGE

Bis 1957 gab es nur ein Wochenend-Kino, die „Tutzinger Lichtspiele“, in der alten, mittlerweile abgerissenen Turnhalle an der Greinwaldstraße. Jedoch sehnten sich die Einheimischen nach einem vollwertigen Kino, denn in der Turnhalle musste das Kino-Inventar für den Turnbetrieb immer wieder weggeräumt werden. Rita und Dieter Harthauser übernahmen schließlich 1956 das repräsentative Kino, in deren Familienbesitz es noch heute ist. Zur Premiere lief der Spielfilm „Vor Sonnenuntergang“ mit dem Ufa-Star Hans Albers, was sicherlich kein Zufall war. Nach dem Umbau verpachteten die Eigentümer das Kino und Dieter Harthauser alias „Flimmer-Didi“ bediente selbst hinter dem Tresen in der „Film Taverne“. Zuletzt leiteten die Pächter und Eheleute Teubig über zwanzig Jahre erfolgreich das „KurTheater“, bevor sie sich im Dezember 2023 in den wohlverdienten Ruhestand begaben. Das Kino schien für Tutzing damit endgültig verloren, denn inzwischen können Kinos mit nur einem Saal im ländlichen Bereich nicht mehr wirtschaftlich überleben. Die von Lucie Vorlíčková und Robert Harthauser ins Leben gerufene Bürgerinitiative „Tutzing macht Kino!“ sorgte dann zusammen mit über 500 Bürgerinnen und Bürgern für die Rettung dieses traditionsreichen Hauses. Mit einem multifunktionalen Konzept basierend auf Kino, Bühne und Bildung wurde neu das „Kulturtheater“ nach fast einem Jahr der Schließung wiedereröffnet. Seitdem betreibt der gemeinnützige Verein Kulturtheater Tutzing e.V. das „Bürgerkino“ und finanziert den Betrieb maßgeblich über Mitgliedsbeiträge und Spenden.

Kulturtheater Tutzing Aussenansicht des Gebäudes in den 1950er Jahren

Ursprünglicher Bau im Stil der Fünfzigerjahre, im Hintergrund die Evangelische Kirche

Kulturtheater Tutzing Ausschnitt der Bauzeichnung

Der handgezeichnete Bauplan (Ausschnitt) des Architekten Schmohl ist ein wahres Kunstwerk

(Quelle: Stefanie Knittl „Häuser erzählen Geschichten“)